Lieder
Seelendieb

"Nein, Kind, halte fest dein Herz!
Und sieh ihn nicht zu lange an.
Verlier' dich nicht in seinem Blick
in seinem Lachen, sondern denk daran:
solltest du ihm Freund sein oder mehr,
verblaßt schon bald der fahle Schein.
Und was darunter dunkel droht
würde bald dein Ende sein."

Sie lacht den Warner aus und lacht ihn an
und findet ihn voll Glanz und schön.
Schenkt ihm einen Blick und dann ihr Herz,
er nimmt beides hin, läßt sie nicht mehr geh'n,
der Morgen findet sie umschlungen,
der Mittag findet sie vereint,
der Abend hüllt sie beide ein
und die Nacht lehrt, was Hingabe meint.

So vergehen Tage, gehen Monde,
unverändert schön erscheint der Mann.
Doch der jungen Frau Glanz wird stets blasser,
als ob sie neben ihm nicht leuchten kann,
oder mehr noch: als wär' sie die Quelle
aus der er allein sein Licht bezieht
und es fällt ins Dunkel seiner Seele,
aus dem kein Funke mehr entflieht.

"Lieber Mann, die Tage sind so dunkel
und waren es doch früher nicht!
Fröhlichkeit und Lachen sind wie Träume,
vergessen bald vor deinem Angesicht."
Doch er nimmt sie lächelnd in die Arme
und spricht zu ihr von bessrer Zeit,
doch so hell wird das Feuer in seinem Blick
so werden ihre Augen kalt und weit.

Es kommt der Tag, da ist ihr Herz wie Stein
über den der Nachtwind trostlos geht.
Und das letzte Glitzern ihrer Seele
ist in diesem kalten Hauch verweht -
an diesem Tag hat er sie verlassen,
da ist nichts mehr, was er nehmen kann,
und sein Lächeln gilt nun andren Mädchen,
seiner Augen Glanz zieht sie in Bann.

Das Schwarze Moor

In dem Netzwerk der Zweige, wie ein zweiter Mond
sind die Augen der Eule, die im Schwarzen Moor wohnt.
Der Wind bringt ihr Schreie, voll Haß und voll Wut,
und den Rauch greller Fackeln und Furcht und Blut.
Ihre Schwingen sind lautlos, ihr Flug suchend und sacht:
wo sind sie, die Menschen, die jagen heut' nacht?

Das Moos spürt die fliehenden Schritte und weiß:
es ist Winter im Moor und dünn ist das Eis
auf tiefdunklen Seen, kalt wie der Tod,
und so lenkt es die Schritte, wo ihr Gefahr droht.
Denn das Mädchen das flieht durch das Moor, blind von Schmerz,
ist eine von ihnen und die Erde ihr Herz.

Nicht fern eine Birke greift nach einem Mann,
der fällt und der die Fackel nicht halten kann.
So schwinden die Lichter und in Dunkelheit
singt klagend ein Vogel von Sterben und Leid.
Und die Männer, die eben noch von Haßglut erfüllt
rücken näher zusammen als sie Moorwind umhüllt.

Bald unter den Schritten das Eis hell zerspringt
und einer der Jäger in Schwärze versinkt.
Ein anderer schreit um sein Leben in Not,
als die Eule ihn findet auf Schwingen aus Tod.
Kein Baum bietet halt, kein Weg mehr zu geh'n
und rauhe Stimmen verfluchen die Frau, die sie nicht mehr seh'n.

Nebel erhebt sich und hinter ihm Licht,
unirdisch und kalt und fast aus ihrer Sicht.
Die, die ihm folgten wurden nie mehr geseh'n
und von irgendwoher scheint Gelächter zu weh'n.
Doch am Rande des Moores wo der Morgen schon naht,
führt das Irrlicht das Mädchen auf sicheren Pfad.

Nur einen Mann fand man spät am nächsten Tag,
mit Rauhreif bedeckt nah der Straße er lag.
Seine Augen war'n weit von Ängsten uralt
und das Moor hinter ihm wirkte drohend und kalt.
Doch dort wo die Frau schlief, die sie Hexe genannt,
sang ein Vogel im Wind goldnes Licht über's Land.


Der Verzauberte Wald

Hell stand der Mond hoch über dem Pfad,
als die Frau aus dem Dorf ihren Heimweg antrat.
Die Zahl der Meilen vor ihr machte das Herz ihr kalt
und so kam sie vorbei am verzauberten Wald.

"Wenn ich folge dem Pfad, der dort schwindet im Licht,
dann bin ich im Dorf, eh' der Morgen anbricht.
Ach, es sind nur Geschichten, wie die Steine so alt!"
sprach sie und trat in den verzauberten Wald.

Ref.:
Nebel und Licht und Stimmen im Wind,
die locken und rufen und sonderbar sind.
Hüte dich, Wanderer, weiche, gib acht!
Und betritt nicht den Wald der Zauber bei Nacht.

Nach kaum hundert Schritt schloß sich um sie der Wald;
wo kam sie her, wo ging sie hin? Sie verirrte sich bald.
Vom Pfad aus geseh'n schien der Weg doch so klar,
wie kam es, daß alles nun sonderbar war?

Sie fand nicht zurück und sie folgte dem Licht
voraus in den Bäumen - sie erreichte es nicht.
Mit jedem Schritt, den sie tat, wich es gleichsam zurück
und führte sie fort durch den Wald Stück um Stück.

Bald hört' sie Gesang aus den Bäumen, den Höh'n,
sie blickte starr auf das Licht, sie wollte nichts seh'n.
Der Klang war so fremd, daß das Herz ihr schier brach,
doch sie wäre verlor'n, gäb' dem Locken sie nach.

Jemand rief ihren Namen, eine Stimme, so schön,
bat sie zu ihm zu kommen, kaum konnt' sie widersteh'n.
"Komm, ich bringe dir Liebe und Schönheit und Glück!"
"Nein, denn wenn ich dir folge, kehr' ich nie mehr zurück."

Aus Schatten und Nebeln trat eine Gestalt,
mondweiß und schön, die dunklen Augen uralt.
"Komm, Menschenfrau, lieg' bei mir diese Nacht!
Ich zeig' dir Zauber und Träume, bis der Morgen erwacht."

"Ein Kuß deiner Lippen kostet mich wohl ein Jahr,
die Nacht in deinem Arm mach weiß mir das Haar.
Fee, Troll und Elf treibt mit uns nur sein Spiel;
laß' mich geh'n, guter Geist, weil leben ich will!"

Sie wehrt sich nicht mehr, als er zieht sie heran,
schon vergessen, versunken, verloren im Bann.
Als seine Lippen sich nähern, ist die Welt ihr schon weit,
der schöne Tod ist ein Zauber, fern von Raum und von Zeit.

Tief stand der Mond nun über dem Wald,
nah war der Tag und die Tauluft eiskalt.
Tief in Feenarm lag still die Menschenfrau,
die Nacht wich zurück und der Himmel wurd' grau.

So fiel das erste Licht auf das Laub von den Höh'n,
wo für die Frau aus dem Dorf rasch die Jahre vergeh'n.
In dem Strahl wird der Fremde zu Rauch und zu Licht,
läßt bleich und schwach sie zurück, doch tötet sie nicht.

Hell stand der Tagstern nun über dem Pfad,
als die Frau aus dem Dorf aus dem Wald heraustrat.
Das Haar weiß wie Schnee, marmorbleich auch die Haut
von dem Zauber des Waldes, der die Zeit ihr geraubt.

(Für Chris 1994)

 

Die Nymphe und der Wanderer

Tief im Wald in einem See
lebt eine Wasserfrau.
Die Haut so bleich, das Haar so grün,
so wunderschön sie anzuseh'n.

Ref.: Sieh und sing, was geschah,
sieh und sing, was kommen mag.

Ein Wandrer kommt den Weg daher,
er beugt sich nieder, ihn dürstet sehr.
Die Nymphe taucht zu ihm herauf,
so nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Er verliert sein Herz beim ersten Blick,
ist gebannt, verlor'n, kennt kein Zurück.
Doch der Nymphe Blick ist kalt und grün,
sie kann die Liebe nicht versteh'n.

Er bittet sie : "Komm' mit mir heim!"
Sie will es nicht und er geht allein.
Doch schenkt sie ihm einen Nymphenstein,
gemacht aus Blut, moosgrün und rein.

Er kommt zurück im nächsten Jahr
und alles ist so, wie es war.
Er kehrt wieder alleine heim,
in der Hand den zweiten Stein.

Auch im dritten Jahr am klaren See
tut beim Abschied das Herz ihm weh.
Er sang mit ihr so manche Nacht,
doch Liebe hat's ihr nicht gebracht.

"Ich versteh' dich doch nicht, schöner Menschenmann,
solche Sehnsucht mein Volk nicht empfinden kann."
Doch der Nymphe Blick ist seltsam weich,
als ihm wieder den grünen Stein sie reicht.

Sie wartet auf ihn im vierten Jahr,
wünscht verwundert sich, er wär' schon da.
Doch der Wald bleibt still und der Wald bleibt leer
und sie fragt sich gar: kommt er nicht mehr?

Endlich eine Gestalt tritt zum See heran,
doch es ist eine Frau, nicht der Wandersmann.
"Vergib, Nymphe, mir, denn ich bringe dir Not;
der Mann, der dich liebt, ist seit Wochen schon tot."

Sie gibt ihr zurück jeden Nymphenstein
und die Wasserfrau taucht in den See hinein.
Der Schmerz, den sie fühlt, ist ihr fremd und schwer,
denn rot ist ihr Blut, kalt ist es nicht mehr.

Sieh und sing, was geschah,
sieh und sing, was einmal war.

Das Mädchen aus Stein

Von Testara nach Jandberg der Wandrer kehrt ein
in ein Gasthaus, das heißt: "Das Mädchen aus Stein".
Und wenn auch in Namen oft Wahrheit liegt,
mancher meint, daß die Geschichte hier lügt.
Doch die, die es wissen, lächeln nur still
und erzählen, was war, dem der zuhören will.

In einem Dorf nah der Stadt lebt' vor 100 Jahr'
ein Mädchen voll Anmut und Schönheit, das war
dem Tempel der Jungfrau im Waldhain geweiht
dort tanzt sie die Göttin im Wechsel der Zeit.
So wißt, daß die Tänzerin verschworen ist
der Göttin der Reinheit auf Lebensfrist.

Nicht an Mann noch an Frau darf sie sich verlier'n
und andre liebe als die des Geistes verspür'n,
doch lebt in dem Dorf auch ein junger Mann
dem sie nicht ganz ihr Herz verschließen kann.
So wählt sich das Schicksal seinen dunkelsten Lauf
und legt beiden den Zauber der Liebe auf.

Und so trifft sich die Tänz'rin im Abendrot,
getrieben von Sehnsucht, gehalten von Not,
mit ihm an der Straße im finstersten Wald
zu langen Gesprächen und zärtlichstem Halt.
So vergehen die Nächte mit verbotenem Glück
und am Morgen kehrt sie in den Tempel zurück.

Die Geschichte sagt nun, daß der Tänzerin
ein zorniger Bote der Göttin erschien:
"Mein bist du, Mädchen, und wirst es auch sein
solang der Himmel aus Luft und die Erde aus Stein.
Wende dich ab und Kehr' zu mir zurück,
denn siehst du ihn wieder, dann endet dein Glück!"

Doch wenn ein Herz brennt und sich selber verzehrt
nicht mal göttliche Drohung den Weg ihm verwehrt;
eh ein Mondkreis verging, schlich die Tänzerin
zum Treffpunkt im Wald an der Straße hin.
Den Mondglanz verdüstert die röteste Glut
als Echo und Zeichen der göttlichen Wut.

Sie tritt aus dem Wald und sie sieht sein Gesicht,
vertraut und geliebt selbst im düsteren Licht,
die hebt ihre Hand, um ihn zu sich zu zieh'n,
während über den Mond schwarze Wolken flieh'n.
Als sie sich berühren, in Schatten gehüllt,
sich das Wort und der Fluch der Göttin erfüllt.

Was geschah, wollt ihr wissen? Nun, dann kommt mit
hinaus hinter's Haus und dann noch ein paar Schritt,
und dort steht am Waldesrand im Sonnenschein
wunderschön, wie lebendig, ein Mädchen aus Stein.
Und es heißt, daß wenn nachts hoch hell die Sterne steh'n,
kann man sie in dem Licht hier tanzen seh'n.


Drei Steine

Ref.: Drei Steine, blau und rot und grün,
die darfst du nie zusammen seh'n,
drei Steine, rot und grün und blau,
warum weiß keiner mehr genau.
Drei Steine, grün und blau und rot,
zusammen bringen sie den Tod.

Eine Dame, bleich und reich und schön,
reiste um Tetrill zu seh'n.
Und der Tempel der Liebe dort ist ihr Ziel,
um Beistand und Rat sie bitten will -
was ist die Kälte im Herzen, die sie gleichgültig macht
und die über sie kam in der Hochzeitsnacht?
Nichts regt sie, nichts rührt sie, sie ist kühl und stumm,
kann das nicht mal beweinen doch sie fragt sich warum,
und so reitet sie westwärts durch den stillen Wald
und die Luft um sie klirrt, ist frostig und kalt,
und das Juwel an dem Hochzeitsring
ist ein glitzerndes blaues Feending.

Ein Barde, bunt und grau und alt,
flüchtet grimmig durch den Wald.
Er geht nicht wohin, er kommt nur woher,
wo die Laute und Flöte er spielt nicht mehr -
was ist das Feuer im Herzen, das ihn zornig macht,
das ihn kämpfen und töten ließ diese Nacht?
Nichts hält ihn und schreckt ihn, er sucht Haß und Gewalt,
mit Schwert statt mit Schellen flieht er stumm, ohne Halt,
nordwärts, voran zu neuem Tod und Blut,
neue Nahrung und Opfer für die Flammen der Wut.
Und in dem Dolch, den er trägt, pulsiert blutig rot
ein Juwel, füllt die Luft mit Visionen vom Tod.

Ein Mädchen, schmal und blaß und klein,
scheint allein, doch ohne Angst zu sein.
Sie streift durch den Wald mit uraltem Blick,
spricht zu Tieren und Bäumen und kriegt Antwort zurück -
was ist das Licht im Herzen, das sie sehend macht
und gibt ihr Weisheit und Wissen und magische Macht?
Nichts droht mehr, nichts schweigt mehr, Wissen ist ihr Ziel
und eine Geste, ein Wort macht die Welt ihr zum Spiel,
und so schreitet sie ostwärts durch den murmelnden Wald
und ihre Worte und Zeichen sind mystisch und alt
und in dem Stab, den sie trägt, glüht im Zauberschein
grün und fremdartig singend ein Edelstein.

Ein Hauch von Frost, wie Eis ein Klang
kommt von Osten her den Weg entlang.
Und von Süden her dringt ein Glanz wie Blut,
bringt mit sich Bilder von Tod und Wut,
und durch den Wald ohne Weg von Westen her
ein Lied von Gier nach Wissen, Macht und mehr -
und auf die Kreuzung zwischen hier und dort
treten Dame und Barde und Kind ohne Wort,
und Ring und Dolch und Stab glühn in einem Sinn,
spürn die anderen nah und ziehn sie zu sich hin,
die Menschen zu schmelzen in ihrer Macht
bis so ein Wesen der dunklen Götter erwacht.

Doch durch den Mantel aus Eis, der sie umgibt,
die Frau erinnert sich, wie sie einst geliebt.
Und durch den Rausch des Blutes und den Schwerterklang
hört der Barde die Lieder, die er einst sang,
und hinter blanker Gier und dem Lied der Macht
sind nun Verwirrung und Furcht und Angst vor der Nacht -
und die drei Menschen in der Steine Bann
kämpfen einzeln erst und verbinden sich dann
und Liebe und Schönheit und Angst und Mut
besiegen Kälte und Zauber und tödliche Wut,
mit einem Schrei wie Zorn und grellem Schein
zerspringt in tausend Scherben jeder Edelstein.

Drei Steine, blau und rot und grün,
wirst du nie mehr zusammen seh'n,
drei Steine, rot und grün und blau,
warum weiß jeder nun genau,
drei Steine, grün und blau und rot,
drei Menschen brachten ihn' den Tod.

 

Der Tanz an der Mühle

Aus leuchtend Grün und tiefstem Blau
in den Schatten war das Netz gemacht,
das Mond und Dunkelheit gesponnen
um die Mühle zur Mitternacht.
Der Weg hat sich zu sehr gewunden,
die Dämmrung schwand mit all den Meilen,
so ging die Frau bald unter Sternen,
mochte sie auch noch so eilen,
kam zur Mühle, schlug an das Tor,
doch nur Schlafes Stille drang hervor.

Jeder Baum, jedes Wasser, hat seinen Namen,
jeder Wind singt von denen, die vor der Zeit kamen.

"Was soll ich nun, was werd' ich tun,
soll ich bis zum Morgen warten?"
Sie zog den Mantel enger um sich
und ging zum Schlafen in den Garten,
sah Licht und hörte helles Lachen,
verhielt mit Schaudern dann im Schritt,
denn im grünen Mondlicht tanzten Schatten,
rissen Nebelweiß und Schatten mit
und war'n wie eine Welle um sie
und sanftre Hände fühlte sie nie.

"Komm zu uns, tanz mit uns,
wir schenken dir ein weißes Kleid,
eine Kron' von Gold und Blaustein schwer
und machen zur Hochzeit dich bereit.
Eh' der Mond sinkt, bist du wie wir,
für alle Zeit zwischen Wasser und Land,
bis zum schwarzen Hahnes Schrei,
ergreift dein Bräutigam deine Hand."
Und sie nahm die Krone kalt wie Eis
und wie im Traum das Kleid schneeweiß.

Doch als eine Wolke den Mond bedeckt,
der Nereiden Lachen im Dunkel klingt,
hat sie sich in den Schatten versteckt,
durch die der Feenblick nicht dringt.
"Keinem von ihnen geb' ich meine Hand,
und spinne mich ein in ihrer Nacht,
ich hab' mich nicht an ihrer Schönheit verbrannt,
ihr Tanz hat mich nicht gefangen gemacht!"
Sie stahl sich zum Stall und fand darin
einen Esel und Säcke mit Mehl so steh'n.

Sie nahm einen Sack links und nahm einen rechts
und ritt eilig zum Hof hinaus
dann weiter in den nächtigen Wald
und das Lachen der Feen hört auf.
"Wo ist sie, die Braut, sie ist und entkommen!
Wir suchen und finden sie vorm Morgenlicht,
seht, sie hat sich den Esel genommen,
so, Sterbliche, entgehst du uns nicht!"
Und sie wirbelten wütend den Pfad entlang
wo das Mondlicht kaum die Bäume durchdrang.

"Dort läuft der Esel!" ruft eine hell,
"an der rechten Seite trägt er einen Sack,
an der linken den zweiten und auf seinen Rücken,
hat die Frau einen dritten gepackt."
"Aber wo ist sie selbst? In die Wälder gegangen?"
"Eh der dritte Hahn schreit ist sie hier!"
"Kommt, Schwestern, mit mir, sie ist schon gefangen!"
und sie wandten sich ab von dem trabenden Tier.
Und die Frau, die sich tief auf den Esel gebeugt,
reitet weiter bis erster Glanz vom Morgen zeugt.

Mit dem seidenen Kleid und der Krone aus Gold
kam das Mädchen zu Hause an,
fiel den Eltern und Liebsten froh in den Arm
und berichtet, was sich getan.
Ihre Schwester blickte mit hellem Neid
auf die Kostbarkeiten, die sie trug
und fand, daß auch sie derer würdig sei
und auch klug und geschickt wohl genug.
Schlich zur Mühle sich nächste Nacht in falschem Glück,
nicht am Morgen und niemals kam sie zurück.


Silberharfe

Eine Harfe aus Silber, wer wagt's, sie zu spielen?
Erträgt es, die zeitlose Sehnsucht zu fühlen?
Hilflose Trauer, in Zauber gebannt,
hat jedem, der's wagte, die Seele verbrannt.
hat jedem, der's wagte, die Seele verbrannt.

Der Zauber des Zwerges, die Stimme der Ciedh,
der jettschwarze Stein, der die Seele entzieht.
Silberner Klang, voll von Trauer und Schmerz,
betäubt den, der ihn hört, und zerbricht ihm das Herz.

Oh, sehe mich, höre mich, Frau dort im Licht,
meine Welt ist der Berg, ich erreiche dich nicht.
In den Städten aus Glas, voll von Farben und Wind,
die für mich, meine Liebe, zum Leben nicht sind.

Oh, ich sehe dich, Ciedh, und ich höre dein Lied,
das im Dunkel der Felsen die Sonne mir gibt.
In den Türmen aus Glas, auf den Brücken aus Licht,
meine Welt ist der Berg, ich erreiche dich nicht!

Oh, ich fang' deine Stimme in Silberkunst ein
und web' meine ziellose Sehnsucht in Stein,
so daß der, der sie hört, heut' und für alle Zeit,
ist auf ewig den Reichen der Trauer geweiht!

Oh, so hört, all ihr Harfner, so hört, all ihr Spieler!
Laßt die silbernen Saiten erklingen nie wieder.
Den düsteren Zauber in Schweigen hüllt ein,
denn spielt ihr, kann keiner euch je mehr befrei'n.


Dana

In Dana, weit von Wundern
lag der Kinder Königin
schön und krank und bleich wie Eis
zog es sie zum Tode hin,
still und schwach und bleich wie Eis
zog es sie zum Tode hin.

"Nur ein Zauber kann sie retten,"
sprach der Meister der Magie,
"Doch in Danas schönen Landen
finden wir die Rettung nie,
auch in diesen weiten Landen
finden wir die Rettung nie."

So auf Nachtpferd ritt der eine
in die Welt im Norden hin,
sah auf Nebelfuß die andre
in den fernen Süden zieh'n,
sah die Schwester, die er liebte,
in den fernen Süden zieh'n.

Und er kam durch 100 Städte
und er fragte 1000 Mann,
ob sie den einen wüßten,
der Jarika retten kann,
der den einen Zauber wüßte,
der Jarika retten kann.

"Es gibt einen, doch sein Geist ist
dem der Schwarzen Schlange gleich.
Dunkles Unglück trifft all jene,
die sich wagen in sein Reich,
dunkles Unglück wird Euch treffen,
wenn Ihr wagt Euch in sein Reich!"

Und er fand das Haus aus Blutstein,
auf dem rote Fahnen weh'n;
Wind und Fluß und Himmel auch
warnten ihn, dorthin zu geh'n,
Baum und Tier und Himmel auch,
warnten ihn, dorthin zu geh'n.

"Tritt nur ein, Du kannst mir trauen,
ich nutzte nie ein falsches Spiel.
Ist der Preis auch hoch, bekommst Du
für Dein Opfer auch recht viel,
für den Preis, den nur Du selbst bestimmst,
bekommst Du auch recht viel."

"Für das, was Jarika rettet,
ist das auf immer mein,
was wenn ich den Zauber wirke,
Dir kommt in den Sinn hinein,
was Du siehst in den Gedanken
ewig wird das meine sein."

Er versuchte zu vergessen,
was ihm lieb und teuer war,
doch als sich der Zauber formte,
sah er Luena hell und klar,
sah er die Schwester, die er liebte,
und die nun verloren war.

Er ritt heim, doch ohne Freude,
Nachtpferds Schritte war'n ihm schwer,
kam zu ihnen und berichtet
und sein Blick war schwarz und leer,
sah Luena, hell vom Süden,
und sein Herz war kalt und leer.

Doch sie nahm den Stab aus Esche
und auch den aus schwarzem Stein
und sie sprach "Noch eh der Winter kommt
werde ich zu Hause sein,
trägt mich Nebelfuß wie Wind und Sturm
wieder zu Euch heim."

So kam sie zum Haus aus Blutstein
und da rief sie laut und wild:
"Mit Stein und Esche aus dem Süden
bin ich's, die Eure Sehnsucht stillt,
mit Esche, Stein und wildem Zauber,
die Eure dunkle Sehnsucht stillt."

Und der Himmel bebt in Donner
und die Erde kreischt in Glut,
Zauberwellen wogten purpurn
unter ihrer beider Wut,
schwarze Flammen, goldnes Feuer,
Zeichen ihrer beider Wut.

Und der Steinstab barst zu Asche,
als ein schwarzer Blitz ihn traf,
doch der Esche Kraft gewinnt den Kampf,
bringt dem Finstren ewig Schlaf,
doch der Eschestab mit goldner Macht
bringt dem Tode gleichen Schlaf.

Ach, Luena aus dem Süden,
jeder Stab hielt Deine Macht,
der aus Stein ist nun verloren,
und zieht Dich in dunkle Nacht,
reite heim, doch ohne Zauber,
und mit Dir Schatten dunkler Nacht.

Hört nur, dies war die Geschichte,
die mir Danas Wind erzählt,
von Liebe, Unglück und von Mut
und welchen Weg der Finstre wählt,
von Schönheit, Trauer und von Mut
ward Euch in diesem Lied erzählt.


Schneekönigin

Wie schön du bist, Geliebter,
mit dem Haar rot wie Glut,
einer Flammenlohe gleich,
mit dem Blick grün wie Laub,
das hier der Eiseskälte weicht.
Ich sehe dich, betrachte dich,
heut' und 1000 Jahr,
und erinn're mich, wie warm und weich
dein Leib an meinem war.

Du kamst hierher aus grünem Land
wo warmer Regen fällt,
verirrtest dich in Frost und Schnee
in meiner Eiseswelt.
So fand ich dich und brachte dich
her in mein kaltes Heim,
wo der Wind nur weht durch Gang und Saal
und ich lebe allein.

Für dich rief ich der Flamme Kraft
obschon sie mich verzehrt,
lud Feuer ein in Eisessaal,
mir war dein Leben wert.
Du warst für mich ein Lied und Traum
aus einem fernen Land,
und so hielt ich dein Leben fest
mit meiner kalten Hand.

Doch wie dein Grün nicht leben kann
wo Winter nur regiert,
wo Sturm nur herrscht, nachteiseskalt,
und jeder Traum erfriert,
so gingst auch du, Geliebter, fort,
heim in dein schönes Reich,
und mir bleibt nur dein stiller Leib,
wie Eis so kalt und bleich.


Der Pakt

Es war die Zeit, da nichts gelang,
und Unglück war mein Lied.
Arm war ich und krank und ach,
zudem noch ungeliebt.
Die Tage grau, die Nächte kalt,
was hat' ich zu verlier'n?
Ich ging zum Schwarzen Schloß am Meer
es mit Magie probier'n.

Die Räume, Gänge, waren kalt,
die Hallen einsam, still -
ein Wispern führte mich zu ihm,
der fragte, was ich will.
"Jeder fürchtet Euch im Land,
der König selbst im Reich!
Doch ich in meiner Not tu's nicht!"
Ich log, doch das war gleich.

"Das Leben ist mit Last und Müh'
und ich hänge doch daran.
So helft mir, Meister der Magie,
weil keiner das sonst kann!"
Sein Blick war dunkel, lang und tief,
sah weit in mich hinein.
Dann nickte er und sagte leis:
"Nun gut, so soll es sein."

Schnell war der Vertrag gemacht
- er hatte ihn zur Hand -
ich unterschrieb, er hat gelacht,
ich hab' das wohl erkannt!
Der Pakt war einfach und war klar
und wenn ich blieb dabei,
erfüllt der Mann im schwarzen Samt
mit Wünsche, derer drei.

Wie bebten Herz und Stimme mir,
als ich den ersten sprach:
"Krank und schwach ist dieser Leib,
nehmt mir dies Ungemach!"
Er hob die Hand und wob die Luft
mit Zeichen vielerlei -
klar war mein Blick, der Schritt mir leicht
und auch mein Atmen frei!

"Armut, Hunger sind mein Leben,
Meister hier vom Schwarzen Schloß!
So gebt mir Reichtum, Gut und Gold,
wie ich's noch nie genoß!"
Zehn Worte nur mit fremdem Klang
und Samt und Seide war mein Kleid,
von Gemm' und Gold die Börse schwer
so leicht beendet war dies Leid!

"Mein dritter nun, ich wünsche mir
einen, der mich lieb,
so wie ich ihn, und der des nachts
mir Freud' und Wärme gibt."
"Den zu erfüllen brauch' ich nicht,"
sprach er und lacht dabei,
"denn Eure Liebe ist mein Preis
für diese Zauberei!"

So leb' ich nun seit 20 Jahr'n
im Schwarzen Schloß am Meer,
als Frau von dem, der einsam war
als mächt'ger Zauberer.
Und war's erst Zauber, der mich band,
bleib' ich nun gern dabei.
Ich lieb' ihn, und für alle Zeit
bleibt mein dritter Wunsch mir frei.


Windwolf

Komm, Windwolf, leck meine Hand
400 Tage geh'n ins Land,
nur 100 blieb der Treuste mir,
nun bin alleine ich mit Dir.

Das Schwarze Schiff auf grauem Meer,
die Segel purpurrot und leer,
Dein Herr in gleichen Farben wacht,
dringt in den Traum mir jede Nacht.

Er fordert, daß ich mit ihm geh',
weit über die Schiefersee,
mit ihm, der mir den Liebsten nahm
und brachte Kälte, Leid und Gram.

Manchmal lache ich vom Turm
freudlos, grimmig in den Sturm,
dann schweigst Du, Windwolf, kurze Zeit,
ich bin zu geh'n noch nicht bereit.

Doch nachts mit Dir in wirrem Traum
renn' ich auf Wellen, jage Schaum,
bin Schwester und Gefährtin Dir
und die Kälte weicht von mir.

So eh' Dein Herr mir irgendwann
ganz den Willen nehmen kann,
beug' ich mich, folge zum Schein
ich will das Land von ihm befrei'n.

Bis das Land liegt weit zurück,
frei für neues Licht und Glück,
wir beide an der Reling steh'n,
zusammen stürzen, untergeh'n.